Die Bäderallianz Deutschland, in der auch der VDST Mitglied ist, sorgt sich um die Wiedereröffnung der Schwimmbäder, die bei den geplanten Lockerungen in der Coronapandemie in der Prioritätenliste ganz weit hinten steht und die daraus entstehenden Folgen für die ohnehin schon abnehmende Schwimmfähigkeit vor allem unserer Kinder und Jugendlichen. Sie hat deshalb am 26.02.2021 einen offenen Brief an unsere führenden Politiker verfasst:

 

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,
sehr geehrte Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister des Bundes,

die Bäderallianz als Sprecherin aller großen Verbände des Schwimmens und der Bäder nimmt mit großer Sorge wahr, dass Bäder in der Debatte der Wiedereröffnungen leider nur wenig Beachtung finden und aktuell nur in den letzten „Wiedereröffnungsstufen“ zu finden sind.

Schwimmbäder sind Kultur-, Sport- und Gesundheitsgut. Bereits nach der ersten Schließung in 2020 haben Badbetreiber mit hochprofessionellen Hygieneplänen bewiesen, dass sie in der Lage sind, einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. In zahlreichen nationalen und internationalen Erhebungen1 ist kein einziger Fall einer Ansteckung mit dem Covid19-Virus aus Bädern registriert worden. Selbstverständlich nehmen wir als Interessenvertreter der Bäder und unserer Schwimmer*innen und Gäste die Gesundheit sehr ernst. Auch dies haben die Badbetreiber bereits 2020 eindrucksvoll bewiesen.

Zur Faktenlage:

  • Wasser: Bereits am 12. März 2020 hat das Umweltbundesamt in seiner Stellungnahme herausgestellt, dass „die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik einen weitreichenden Schutz, auch vor unbekannten Organismen und chemischen Stoffen [und damit auch vor dem Covid19-Virus] bietet“. Bei geschlossenen Bädern findet eine Verdrängung in natürliche (ungeschützte) Gewässer Hierzu kommt das UBA zum Ergebnis, dass „das Wasser in Bädern mit biologischer Aufbereitung kein Desinfektionsmittel enthält, daher geht von derartigen Bädern ein gewisses Infektionsrisiko aus“2.
  • Luft: Hallenbäder haben hocheffiziente Lüftungsanlagen, da sie grundsätzlich für die entsprechende Entfeuchtung sorgen müssen und damit einen vielfach höheren Luftaustausch von etwa dem vierfachen Austausch pro Stunde haben3. In feuchter Luft mit hohen Austauschraten nimmt das Übertragungsrisiko deutlich ab4.
  • Flächen: Bäder unterliegen der regelmäßigen Kontrolle der Gesundheitsämter wie keine andere Freizeitstätte. Reinigung- und Desinfektionspläne und deren Umsetzung sind zwingende Grundlage des Betriebes. Viren sinken in feuchter Luft deutlicher schneller zu Boden und werden an dieser Stelle weggespült und desinfiziert.
  • Nutzer*innen: Wie in keiner anderen Sport- und Freizeitstätte werden vor der dauerhaften Nutzung ggf. mit Viren anhaftende Kleidungsstücke abgelegt und der Körper ganzflächig gereinigt. Vergleichen wir Auflagen wie etwa das Haarewaschen als Hygienemaßnahme in Friseurbetrieben, so sind viel umfangreichere Maßnahmen in Bädern schon seit jeher gelebte Praxis.
  • Wissenschaftlicher Diskurs: Virologen bestätigen den Schwimmbädern einen sicheren Betrieb unter strikter Einhaltung der Hygieneauflagen. Hier seien nur exemplarisch die umfassenden Ausführungen von Herrn Univ.-Prof. Dr. med. habil. Karl-Ludwig Resch5 genannt.

Bäder sind keine unsicheren Orte in Bezug auf die Pandemie. Sie sind Orte der Schwimmausbildung, des Vereinssports, der Bildung/Bewegung im Wasser, der  Rettungsausbildung, der Lehr- und Fachkräfteausbildung und sind systemrelevant zur Vermeidung des Ertrinkungstodes. In der Ertrinkungsstatistik 20206 wird deutlich, dass bei geschlossenen Bädern als überwachte und kontrollierte Räume sich die Unfälle an unüberwachten Badestellen deutlich häufen. Die mehr als 9.300 derzeit erhobenen öffentlichen Bäder7 in der Bundesrepublik Deutschland schaffen ein strukturiertes, an die gesamte Bevölkerung gerichtetes und für alle offenes  Bewegungs- und Sportangebot, durch das wichtige soziale und gesundheitsfördernde Funktionen in der Gesellschaft erfüllt werden. Dies ist in diesen herausfordernden Zeiten ein ganz besonderer (öffentlicher) Mehrwert. Sie sind ein Stück Lebensfreude! Unsere Bäderlandschaft sind Ort des Breiten-, Leistungs- und Gesundheitssports. Bäder sind als Pflichtaufgabe des Schulsport systemrelevant und gelten als wichtigste Sportstätte der deutschen Bevölkerung8. Nicht zuletzt sind Bäder auch Arbeitsstätten und häufig unterschätzter Wirtschaftsfaktor9.

Es ist davon auszugehen, dass durch die monatelangen Schließungen der Schwimmbäder in 2020 und 2021 bereits zwei Jahrgangsstufen nicht ausreichend auf die Vermeidung des Ertrinkungstodes vorbereitet sind. Bereits vor der Pandemie waren lange Wartelisten der Schwimmausbildung zu verzeichnen. Daher ist ein „Aufholen“ in der Praxis nicht mehr möglich. Um dem Ertrinkungstod und dem Bewegungsmangel der Bevölkerung gerade während des Lockdowns nun entgegenzuwirken ist demnach der Bedarf an Hallen- und Freibädern und deren zahlreichen Angebote enorm groß.

In 2020 haben Badbetreiber bewiesen, dass sie einen sicheren Betrieb sicherstellen. Bäder sind nicht in wenigen Tagen zu öffnen. Wir brauchen dringend Planbarkeit und Sicherheit, wir brauchen zudem eine Einheitlichkeit im Ländervergleich. Auch wenn sich Infektionszahlen regional unterschiedlich entwickeln, gebührt dem Schulsport, Breitensport und Leistungssport eine bundesweit einheitliche Linie zur Bewältigung der Pandemie. Die Mitglieder der Bäderallianz appellieren an Sie, die Bäder in den Fokus Ihrer Beratungen zu rücken, in frühere Öffnungsstufen aufzunehmen und verlässliche Rahmenbedingungen für die Öffnung unserer Bäderlandschaft zu schaffen. Grundlagen dafür bestehen mit ausführlichen, erprobten und professionell angepassten Hygienekonzepten10.

Die Bäderallianz spricht sich für eine Wiedereröffnung der Freibäder als Außenanlage zur Saison 2021 aus. Wir plädieren jedoch auch für einen Wiederbetrieb der Hallenbäder direkt nach Ostern für die Öffentlichkeit, gerade weil es wie beschrieben realisierbar ist und Bäder für den Schulsport und die Ausbildung ohnehin zu öffnen sind. Dies verursacht erhebliche Kosten bei den Trägern, insbesondere den Kommunen. Somit sollte der Schulschwimmsport mit dem Schulstart parallel beginnen. Gleiches gilt für die Ausbildung der Lehr-, Rettungs- und Fachkräfte. Den Sportvereinsmitgliedern als wiederkehrende Gruppe mit erfassten Daten und hohem Verantwortungsbewusstsein können die Bäder ebenso kurzfristig geöffnet werden. Wie das Bundesland Hessen vorgeschlagen hat, sind die Hallenbadöffnungen direkt nach Ostern auch für die Öffentlichkeit mit Hygienekonzepten vertretbar. Wir bitten Sie entsprechend, die Voraussetzungen dafür nun für Deutschland zu schaffen. Hierfür besten Dank.

Gerne stehen wir für den fachlichen Dialog zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Christian Kuhn

Sprecher der Bäderallianz Deutschland

Mitgliedsverbände:                                                                                                 unterstützt durch:

 

1 Vgl. internationaler Expert-Circle der IAKS int. unter der Leitung von Dr. Stefan Kannewischer  

2 Stellungnahme des Umweltbundesamtes Coronavirus SARS-CoV-2 und Besuch in Schwimm- oder Badebecken beziehungsweise Schwimm- oder Badeteichen 03/2020

3 Vgl. Ausführung Herr Weilandt, Lt. Forschung der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e. V

4 Vgl. Archiv des Badewesens 08/2020: Betrieb von Lüftungsanlagen in Hallenbädern unter „Corona-Bedingungen“

5 Deutsches Institut für Gesundheitsforschung gGmbH: Aktueller Stand der wissenschaftlichen Evidenz zu SARS-CoV-2 und COVID-19 mit besonderem Fokus auf potentielle Relevanz für Hygienekonzepte im Bereich von Gesundheits- und Freizeitwirtschaft

6 Wird am 09.03.2021 durch die DLRG in Berlin vorgestellt und veröffentlicht

7 Vgl. https://baederleben.de/abfragen/baeder-zaehlen.php

8 Vgl. BMWi (Hrsg.): Sportstätten im demographischen Wandel, 2014, S.6

9 Vgl. internationale Fachzeitschrift für Sportstätten und Freizeitanlagen: Bäder: Kulturgut mit großem öffentlichen Mehrwert und hohem ökonomischen Fußabdruck, 2/2020