Deutsche-Meisterschaft, Europameisterschaft, Weltmeisterschaft – in fast allen Sportarten gibt es diese Wettbewerbe, so auch in der Unterwasserfoto- und Videografie. Zugegeben, es ist schon ein sehr spezieller Wettbewerb, dennoch gehören die Visuellen Medien des VDST genauso in den Tauch-/Wassersport wie Finswimming und Unterwasserrugby.

Die Europa- und Weltmeisterschaften werden über die Mitgliedsländer der Dachorganisation CMAS (Confédération Mondiale des activités Subaquatiques, World Confederation of Underwater Activities) nach dem Regelwerk der CMAS ausgerichtet.

Jedes Mitgliedsland kann je Kategorie (Foto und Video) 5 Personen entsenden, wovon je zwei Fotografen bzw. Videografen mit ihren jeweiligen Models bzw. Assistenten und einem Teamkapitän sind. Durch unsere langjährige Mitgliedschaft im Nationalkader und dem guten Ergebnis der letzten Deutschen Meisterschaft hat sich der Nationalcoach Margit Sablowski im Frühjahr dazu entschieden, dass der amtierende Deutsche Meister Ludwig Migl mit seinem Assistenten Dieter Grund und dazu Sandy Thier und ich (Michael Thiel) Deutschland in diesem Jahr bei der Europameisterschaft auf Madeira vertreten sollen. Für die Videografen startete Matthias Harendt und Jörg Steer mit Kapitän Katja Kieslich.

Die Europameisterschaft fand schon Anfang Oktober, vom 03.10.-08.10.2022, statt. Zu der Zeit ist das Wasser im Atlantik noch nicht zu kalt (was grundsätzlich zwar kein Problem ist (jeder See in Deutschland ist kälter), aber bei abnehmenden Temperaturen ziehen sich auch die Lebewesen immer mehr zurück, was die Unterwasserwelt dann etwas unattraktiver macht).

So brachen wir dann drei Tage vor dem offiziellen Beginn der EM freitagabends von Luxemburg mit dem Flieger über Lissabon nach Funchal auf. Nachdem wir mitten in der Nacht ankamen, nutzten wir dennoch den Samstag und Sonntag für eigene Vorbereitungstauchgänge, da mein letzter eigener Tauchgang im Atlantik schon bestimmt 20 Jahre her ist. Auch musste die Einstellung der Kamera vorgenommen werden, da die Bilder ja bei diesen Wettbewerben nicht nachbearbeitet werden dürfen. Je nachdem wie die Lichtverhältnisse sind, wie trüb das Wasser ist, wieviel Licht tatsächlich ankommt, werden durch die Einstellung der Kamera Feinheiten wie die blaue Farbe des Wassers, der Gesamtkontrast des Bildes und die Stärke der generellen Schärfe des Bildes bestimmt. Dies braucht einige Tauchgänge, da man die Ergebnisse erst am Computer (am farbkalibrierten Monitor) wirklich gut beurteilen kann und für den nächsten Tauchgang u.U. nochmal anpassen muss.

Am Montag war dann die Eröffnungszeremonie mit einem „Marsch“ der Nationen (mit ihren Flaggen) durch Funchal und anschließender Begrüßung durch die „Offiziellen“. Am Abend gab es dann das Technical Meeting, in dem mit allen Athleten nochmals die geltenden Regeln besprochen wurden. Im Anschluss wurden auch noch die Boote und Teams ausgelost: Die beiden deutschen Foto-Teams kamen mit dem norwegischen Team zusammen auf ein Boot. Die Tauchplätze mussten wir uns dann noch mit einem weiteren Boot teilen, auf dem Portugal, Dänemark und Kroatien waren.

Dienstag war dann der offizielle Trainingstag, welcher gleichzeitig auch die Generalprobe für den Ablauf darstellte. Um einen fairen Wettkampf zu gewährleisten, durften alle Athleten nur zur selben Zeit ins Wasser. Somit waren die Rahmenbedingungen was Sonne (Licht) und Wellen angeht, für jeden gleich. Natürlich konnten nicht alle Nationen mit ihren Booten (wir fuhren immer mit motorisierten Schlauchbooten (RIB) an die Tauchplätze) gleichzeitig an einem Tauchplatz sein. Daher gab es vier Tauchzonen, auf die sich die Boote verteilten (je Tauchzone zwei Boote). Am Tauchplatz wurde über Funk sichergestellt, dass alle Boote auf Position waren und dann konnte der Tauchgang für alle gleichzeitig beginnen.

Um auch den Tauchgang selbst für alle unter den gleichen Bedingungen ablaufen zu lassen, wurde die maximale Tiefe auf 30,0 m festgesetzt, der maximale Luftverbrauch auf 180 bar (der Druck wurde vor und nach dem Tauchgang geprüft) und es durfte kein Dekotauchgang werden. Die maximale Tauchzeit wurde ebenfalls auf 90 Minuten je Tauchgang festgelegt. Unmittelbar nach dem Tauchgang wurden noch auf dem Boot alle diese Parameter kontrolliert und dokumentiert. Hätte einer im Buddy-Team mindesetens einen der Parameter überschritten, so würde der Tauchgang und die dabei entstandenen Bilder aus der Wertung genommen (was glücklicherweise bei keinem Team vorkam).

Am Mittwoch ging es dann in den eigentlichen Wettkampf: Es fanden je Wettkampftag zwei Tauchgänge statt, einer am Morgen (ca. 09 Uhr am Tauchplatz) und einer am Nachmittag (ca. 15 Uhr am Tauchplatz). Am Morgen wurden die Speicherkarten der Kameras vor den Augen der Offiziellen formatiert, die Kameras auf ein fiktives Datum eingestellt, das Gehäuse versiegelt und ein Kontrollbild angefertigt. Dies soll Betrug verhindern, da fast alle Kameras heutzutage die Möglichkeit haben, mehrere Speicherkarten zu enthalten und auch per Bluetooth/WLan mit PC und Mobiltelefonen zu kommunizieren. Diese Funktionen mussten ausgeschaltet werden und Mobiltelefone/PC waren im Aufbewahrungsraum und auf den Booten nicht erlaubt (daher gibt es auch keine Bilder von den Ausfahrten selbst und dem drumherum). Auch durfte man nach dem Kontrollbild nicht ohne Aufsicht an die Kamera, noch nicht einmal die Batterien tauschen. Es musste immer ein Offizieller dabei sein.
Nach dem letzten Tauchgang des Tages wurden die Speicherkarten bei der Wettkampfleitung abgegeben und wir bekamen diese später am Abend zur eigenen Sichtung zurück.

Am Donnerstag wer der Ablauf tagsüber der gleiche. Nur mussten wir am Abend unsere Auswahl der Bilder der Wettkampfleitung mitteilen. Im Team sichteten und besprachen wir die Bilder der letzten Tage. Die finale Auswahl trafen dann aber die Fotografen selbst.

Bei den CMAS-Wettkämpfen gibt es im Bereich Fotografie sechs Kategorien. Jeder Fotograf darf nur in vier Kategorien teilnehmen. Diese sind:

  • Weitwinkelbild (nur Landschaft)
  • Weitwinkelbild mit Taucher
  • Nahaufnahme (Makro)
  • Fischportrait
  • Kreativ (alles ist möglich)
  • Thema (dieses ist von Wettbewerb zu Wettbewerb unterschiedlich, auf Madeira war es „Stachelhäuter“, also alles, was unter diese Familie fällt, wie Seesterne, Seeigel, Seegurken)

Wir haben uns für die Kategorien Weitwinkel, Weitwinkel mit Taucher, Nahaufnahme und Thema entschieden.

Freitag war dann für die Athleten frei, aber die Arbeit der Jury begann.

Den freien Tag nutzten wir, um uns ein wenig auf Madeira umzusehen.

Am Samstagabend war dann die Abschlussveranstaltung und Siegerehrung. Vor dem Wettkampf hofften wir, die ja nun nicht den Zugang zum Meer haben wie Italien, Spanien, Portugal, Kroatien, Türkei, usw., um einen guten Platz im Mittelfeld, vielleicht eine gute Platzierung in den Top Ten. Aber es kam dann doch überraschend gut für uns:
unser Weitwinkel mit Model kam auf Platz 11, unser Makro auf Platz 7, das Weitwinkel ohne Taucher schaffte es auf Platz vier (nur knapp am Treppchen vorbei) und als Highlight wurden wir mit dem Thema-Bild Vize-Europameister! Möglich ist das aber immer nur, wenn das Team funktioniert: der Austausch mit den anderen Teammitgliedern und die Tipps und Ratschläge während des Wettkampfes haben sicherlich auch zum guten Abschneiden beigetragen. Aber der wichtigste Part ist für den Fotografen immer der Assistent, bzw. mein Supermodel Sandy – sie musste ja schließlich immer mit, auch wenn es um die Kategorien ging, bei denen sie nicht auf dem Bild war. Vier Augen sehen auch Unterwasser mehr als zwei – und im Makro-Bereich ist ein guter „Spotter“ sehr viel Wert, da man sich nicht neben dem Fotografieren noch zusätzlich auf das Suchen von Motiven konzentrieren muss.

Michael Thiel,
TL2, Ausbildungsleiter PST Trier